(Stand 27.06.2025) Erstmals seit über 100 Jahren brüten in diesem Jahr keine Brandseeschwalben auf Hallig Norderoog In den vergangenen Jahren war der Bruterfolg von Brandseeschwalbe, Lachmöwe, Küsten- und Flussseeschwalbe auf Norderoog mit einzelnen Abweichungen sehr schlecht. Hierzu haben Ereignisse wie der Ausbruch der Vogelgrippe (2022 Brandseeschwalbe und Lachmöwe, 2023 Lachmöwe), Sommerlandunter in den Jahren 2020, 2022, 2023 und 2024, sowie die massive Prädation von Gelegen und Jungvögeln durch Wanderratten und Großmöwen geführt.
Auch in diesem Jahr gab es bereits ein Sommerlandunter in der Nacht vom 23.06. auf den 24.06. mit einem maximalen Wasserstand von etwa 70 cm über dem mittleren Hochwasser (gemessen am Pegel Hooge, Anleger). Hinzu kommt eine für die Seeschwalben ungünstige Entwicklung der Vegetation mit zunehmender Dominanz von Schilf und Strandquecke in der oberen Salzwiese Norderoogs. In diesem Frühjahr ist die Hallig, dank intensiver Bekämpfungsmaßnahmen im vergangenen Winter, frei von Wanderratten. Dies ist das Ergebnis der Durchführung von Maßnahmen im Rahmen des Projektes zur „Erarbeitung eines Managementkonzeptes für Wanderratten auf den Inseln und Halligen im nordfriesischen Wattenmeer“, welches durch die Nationalparkstiftung Schleswig-Holstein gefördert wird. Die Umsetzung des Projektes erfolgt durch die Projektträger Schutzstation Wattenmeer und Verein Jordsand in enger Abstimmung mit der Nationalparkverwaltung in Tönning. Ein seit April täglich durchgeführtes Wanderratten-Monitoring mit einer Wärmebildkamera (Handkamera) sowie ein am 19.05. durchgeführter Transektflug mit einer Wärmebilddrohne bestätigen den Erfolg der Bekämpfung. Es wurden seit März keine Individuen oder Spuren (Trittsiegel, Grabspuren, Kot und Fraßreste) auf Norderoog festgestellt. Leider erleben wir nun trotzdem einen drastischen Einbruch der Brutbestände. Offenbar haben die Lachmöwen in den vergangenen Jahren derart negative Erfahrungen gemacht, dass sich die Zahl brutwilliger Individuen auf Norderoog stark reduziert hat. Hinzu kommt ein generell negativer Trend der Art im Wattenmeer sowie die großen Verluste durch die Vogelgrippe im Jahr 2023. So wurden im Frühjahr 2025 maximal 534 Individuen der Lachmöwe am 23.04. auf der Hallig gezählt. In den Lachmöwenkolonien wurde immer wieder Prädation der Gelege durch Silbermöwen beobachtet. Vom 18.05. auf den 19.05. haben sich die Lachmöwenkolonien ohne offensichtlichen Grund vollständig aufgelöst. In den vergangenen fünf Jahren lag der Bestand der Lachmöwen bei bereits abnehmender Tendenz hingegen zwischen 2.300 und 4.100 Brutpaaren. Die großen Lachmöwenkolonien sind ein Schlüsselreiz für die Besiedlung der Hallig durch die Brandseeschwalben. Sie bieten den notwendigen Schutz vor Gelegeprädation durch Großmöwen. Ende März 2025 erreichten die ersten Brandseeschwalben Norderoog. Die Zahl stieg bis zum 07.04. auf ein Niveau von etwa 550 Individuen an, erfuhr jedoch keinen weiteren Zuwachs. Die Vögel begannen Mitte April mit der Balz auf der Hallig selbst, wenngleich die Anzahl der zeitgleich anwesenden Individuen nicht wesentlich über diesen Wert stieg und stark schwankte. Obwohl die Koloniebildung dieser Art in jedem Jahr etwas unstet und plötzlich erfolgt (Schwankungen in der Individuenzahl und Ortswechsel auf der Hallig sind dabei normal), entstand der Eindruck, dass die Besiedlung nicht normal verlief. Es waren nur relativ wenige Individuen anwesend und es kam zu keiner Koloniebildung. Die anwesenden Vögel balzten zuerst am Koloniestandort im Süden, wechselten jedoch im Mai auf den Koloniestandort der Ostwarft. Die Zahl der Individuen nahm wieder ab, sodass sich Mitte Mai nur noch etwa 100 Brandseeschwalben auf Norderoog aufhielten. Zum Vergleich: Mitte April 2024 hielten sich bereits etwa 3.400 Brandseeschwalben auf Norderoog und den umliegenden Lahnungen auf. Nun gibt es die Gewissheit, dass es in diesem Jahr zu keiner Ansiedlung von Brandseeschwalben auf Norderoog gekommen ist. Zugenommen haben auf Norderoog hingegen offenbar die Brutbestände von Silber- und Heringsmöwe. Zur Erfassung wurde eine Befliegung mit einer Drohne durchgeführt, eine Auszählung der Brutpaare liegt noch nicht vor. Auffällig ist hier jedoch eine hohe Prädation der Gelege der Brutpaare untereinander.
In der Kolonie wurden bei einer Begehung am 21.05. viele Eierschalenreste und Gelege mit lediglich einem Ei gefunden. Es gab auch hier keine Hinweise auf die Anwesenheit von Wanderratten. Auf der Düneninsel des Norderoogsand gibt es hingegen erneut, wie bereits im vergangenen Jahr, keine erfolgreiche Brut von Silber- und Heringsmöwen. Hier haben die Bemühungen zur Bekämpfung der Wanderratten leider noch keinen durchschlagenden Erfolg gehabt. Die Zunehmende Brutpaarzahl der Silber- und Heringsmöwen auf Norderoog steht wahrscheinlich in einem direkten Zusammenhang mit den schlechten Brutbedingungen und dem damit verbundenen Rückgang der Brutpaare auf dem Norderoogsand. Die hohe Prädation von Gelegen deutet auf eine generell schlechte Nahrungsverfügbarkeit in diesem Frühjahr hin. Deutliche Anzeichen für eine schlechte Nahrungsverfügbarkeit lieferten auch die ersten Eindrücke des von Dr. Veit Hennig (Universität Hamburg) durchgeführten Kleinfischmonitorings. Bis zum 02.06. wurde der Nachwuchs von Heringen in keiner nennenswerten Zahl festgestellt. Auch nach Angaben des Thünen Instituts für Ostseefischerei zur Bestandsentwicklung des Nordsee Herings fällt die Nachwuchsproduktion für 2025 voraussichtlich schwach aus (www.fischbestaende-online.de; abgerufen am 04.06.2025). Erst Ende Juni haben nun kleine Heringe in größerer Zahl das Wattenmeer erreicht. Diese kleinen Fische sind für die Aufzucht des Seeschwalbennachwuchses von besonders großer Bedeutung. Hinzukommend führt die zunehmende Dominanz von Schilf und Quecke in der oberen Salzwiese auf Norderoog zu einer stark abnehmenden Eignung als Brutplatz für die Seeschwalben. Diese weichen in den letzten Jahren notgedrungen auf Standorte mit höherer Überflutungsgefahr in der unteren Salzwiese, die Fläche direkt unter den Pfahlbauten und Bereiche, die stärkerem Wellenschlag ausgesetzt sind aus. Doch wohin sind die Brandseeschwalben verschwunden? Ein Blick nach Niedersachsen, in die Niederlande und nach Dänemark gab zuerst keinen Aufschluss. In Niedersachsen erfolgte die Ansiedlung der Brandseeschwalben auf Minsener Oog und Baltrum offenbar auch sehr zögerlich und zuerst in geringerem Umfang als im vergangenen Jahr (Dr. Florian Packmor). Auch aus Dänemark gibt es keine Informationen zu höheren Brutpaarzahlen. Aus den Niederlanden und Niedersachsen wird nun jedoch von steigenden Brutpaarzahlen berichtet. Seit Anfang Juni gibt es eine Brutansiedlung von Brandseeschwalben auf Hallig Süderoog (Beobachtung von Dr. Veit Hennig). Diese Kolonie ist bis zum 22.06. auf etwa 850 Brutpaare angewachsen und die ersten Küken sind geschlüpft. Das Teillandunter in der Nacht vom 23.06. auf den 24.06. haben sie dort knapp überstanden. Anders erging es den dortigen Brutpaaren der Fluss- und Küstenseeschwalben, welche von dem Teillandunter betroffen waren und ihren Nachwuchs verloren. Bereits 2024 hatten sich auf Süderoog zum Ende der Brutzeit mehr als 1.000 Paare der Brandseeschwalbe angesiedelt, deren Brut jedoch erfolglos verlief.
Über weitere Erkenntnisse werden wir an dieser Stelle berichten.