Entwicklungen der letzten drei Jahre – ein Faktor für die Nichtbesiedlung durch die Brandseeschwalben?

Die Vegetation auf der Hallig beeinflusst die Brutbedingungen der Vögel, denn jede Art ist auf eine bestimmte Vegetation angewiesen oder bevorzugt diese. Viele Arten brüten im Schutz der Salzwiesenvegetation. Die Brandseeschwalben bevorzugen vegetationsarme Bereiche mit Sand oder auf Spülsäumen, wo sie in großen Kolonien dicht beieinander brüten können. Fluss- und Küstenseeschwalben, die beide kürzere Beine haben als Brandseeschwalben, sind auch deswegen auf vegetationsarme Bereiche angewiesen. 

Die Vegetation in Salzwiesen ist dynamisch und verändert sich ständig. Das ist auch auf der Hallig Norderoog so. Viele Brutvögel passen sich den Gegebenheiten an und können ihre Brutplätze verschieben, wenn sich die Vegetation nicht nach ihren Ansprüchen verändert. In den letzten Jahren hat sich die Vegetation in eine für die Seeschwalben ungünstige Richtung verändert: Genau in den Bereichen im Norden der Hallig, die gerne von den Seeschwalben als Koloniestandort und Brutplatz genutzt wurden, dominiert eine dichte und hoch aufwachsende Vegetation aus Schilf und Strandquecke. Das sah man auch auf unseren Kameras: Unsere Ostkamera war ab August so hoch von Schilf umwachsen, dass sie keine brauchbaren Bilder mehr lieferte.  

Schilfrohr ist eine Sumpfpflanze, die an Gewässern und in Flußauen wächst. Sie kann aber auch an leicht salzigen Standorten aufwachsen und wächst häufig dort wo Süß- und Salzwasser sich vermischen. Man spricht dann von Brackwasser beeinflussten Lebensräumen. In der Salzwiese kommt Schilf häufig nur dort vor, wo der Salzeinfluss sehr gering ist, oder Frischwasserzufluss vorhanden ist. Auf Norderoog kann eine Frischwasserzufuhr nur in Form von Niederschlag erfolgen. Eine mögliche Begründung für den starken Schilf-Bewuchs könnte also in starken Niederschlägen liegen. Grundsätzlich ist das nicht neu, Schilf hat es laut alten Kartierungen und Berichten immer wieder auf Norderoog gegeben. 

Der Zustand und die Entwicklung der Vegetation wird im Wattenmeer gut dokumentiert: Es werden flächendeckend Vegetationskartierungen durchgeführt, und zwar standardmäßig alle sechs Jahre (https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/K/kuestenschutz_fachplaene/5_Halligen/4_Gesamtkonzept/4_3_3_Biologie ). Da auf Norderoog und dem Norderoogsand eine beschleunigte Entwicklung zu beobachten ist (verursacht z.B. durch viele Überschwemmungen, Flugsand, Bodenerosion) werden die Kartierungen hier jährlich durchgeführt. Die Kartierungen der letzten Jahre zeigen, dass sich genau an den Koloniestandorten der Brandseeschwalbe das Schilf immer mehr verdichtet hat. 

Die Grafik zeigt die Vegetationsentwicklung der Jahre 2022 – 2024, also nach dem Winter 2021/22, in dem besonders viele Sturmfluten Norderoog überflutet hatten (https://www.bsh.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Text_html/html_2022/Pressemitteilung-2022-01-11.html). Das hatte zur Folge, dass viel Vegetation abgetragen wurde und eine neue Entwicklung eingesetzt hat. Die Darstellung zeigt, dass diese Entwicklung im östlichen Bereich deutlich dynamischer verläuft als im Westen. Hier lässt sich das Aufwachsen der Brackwasser-Röhrichte deutlich erkennen. Darüber hinaus lässt sich ein Rückgang der flächendeckenden Meldenfluren, sowie eine Zunahme der Pionierpflanzen und leichte Zunahme der Vegetationstypen der unteren Salzwiese erkennen. In Randbereichen nehmen auch die Typen der oberen Salzwiese zu. Grundsätzlich lässt sich hier der Prozess der Salzwiesen-Sukzession nach den Winterstürmen 2021/2022 ablesen. 

Die Vegetationsentwicklung – vor allem der Bewuchs mit Schilf – kann einer von vielen Faktoren gewesen sein, der zur Nichtbesiedlung  Norderoogs durch die Brandseeschwalben geführt hat. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Vegetation ein alleiniger oder maßgeblicher Faktor war. Mit einer Sondergenehmigung der Nationalparkverwaltung wird das Schilf jährlich im Herbst einmalig zurückgeschnitten, um die Bereiche wieder frei zu halten. Andere Pflanzen sind ohnehin einjährig und verschwinden im Winter. Außerdem werden durch Sturmfluten in den Wintermonaten oft Spülsäume auf die Hallig getragen, welche die Seeschwalben gerne nutzen, um darauf zu brüten. Als die Brandseeschwalben in diesem Frühjahr aus ihren Winterquartieren zurückkamen, fanden sie also auf Norderoog durchaus Bereiche mit niedriger Vegetation vor. Warum sie dennoch keine Brut begonnen haben, muss andere bzw. weitere Gründe haben, von denen wir bereits berichtet haben und auch weitere Erkenntnisse hier teilen werden.  

Abbildungen: Moritz Padlat / LKN.SH