Dieses Jahr haben erstmals seit 110 Jahren keine Brandseeschwalben auf Norderoog gebrütet. Warum das so ist, wissen wir nicht. Es ist aber spannend und notwendig zu untersuchen, was sich abgespielt hat, wie die Bedingungen waren und welche Faktoren eine Rolle gespielt haben könnten. Dabei geht es auch darum herauszufinden, welche Faktoren wir beeinflussen können, um noch bessere Schutzmaßnahmen daraus abzuleiten. 

Ein Faktor, der die Brutbedingungen maßgeblich beeinflusst, ist eine gute Nahrungsverfügbarkeit. Für die Brandseeschwalben (wie auch für Fluss- und Küstenseeschwalben) kommt hier dem Vorkommen von jungen Heringen eine besondere Rolle zu. Zwar ernähren sie sich auch von anderen Arten, z.B. dem Sandaal, der Hering ist aber als Beute aufgrund seines hohen Energiegehalts von besonderer Bedeutung.  

Wenn wenig Hering vorhanden ist, dann wirkt sich das negativ auf den Bruterfolg aus. Das konnte auch in den Jahren 2002 – 2010 beobachtet werden. In dieser Periode gab es kaum Jungheringe und der Bruterfolg der Seeschwalben in Nordfriesland war mehrere Jahre sehr schlecht. Eine Studie aus dem Jahr 2012 kommt zu dem Schluss, dass die Erwärmung der Nordsee eine Ursache für den Einbruch der Jungheringsbestände war. (https://academic.oup.com/icesjms/article/70/1/1/663444 ) Auch ein Forschungsprojekt des Thünen-Instituts beschäftigte sich mit der Frage, wie die Klimakrise den Heringsnachwuchs in der Nordsee beeinflusst: https://www.thuenen.de/en/institutes/sea-fisheries/projects/how-does-climate-affect-baby-herring-in-the-north-sea-thresholds  

Die für die Brandseeschwalben relevanten Heringe laichen schon immer im Herbst in der westlichen Nordsee. Die Heringe, die im Wattenmeer laichen, spielen so gut wie keine Rolle für die Küstenvögel der südlichen und südöstlichen Nordsee. Downs-Heringe, die im Ärmelkanal laichen, kommen immer zuerst bei uns an, und zwar im April. Dann geht es die Küste hoch bis zur Doggerbank: Die Heringe von dort erreichen uns im Juli. Das sind die „Wellen“ von Heringen die im Wattenmeer normalerweise ankommen. Sie treiben mit der Coriolis-Strömung gegen den Uhrzeigersinn von der englischen Küste nach Osten. 2018 kam es schon einmal vor, dass diese Heringe ausgeblieben sind und ein fatal schlechter Bruterfolg war. Ein Artikel in der Zeitschrift Nature Ausgabe Juni 2025 beschreibt die Störungen bei Wanderungen von Heringen, verursacht durch Fischerei und Klimakrise https://www.nature.com/articles/s41586-025-08983-3 Überfischung hat das Fehlen von erfahrenen erwachsenen Tieren zur Folge, weshalb das „Schwarmwissen“ um tradierte Wanderwege und Laichgebiete verschwindet.

Eine mögliche Ursache für eine veränderte Ankunft von Jungheringen im Wattenmeer liegt in der Erwärmung der Nordsee. In diesem Frühjahr 2025 war die Nordsee nach Angaben des BSH so warm wie nie zuvor (https://www.bsh.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Text_html/html_2025/Pressemitteilung-2025-10-06.htmli) Das kann dazu führen, vor allem in besonders warmen Jahren, dass die Heringe ihre Laichgründe verlagern. Heringe ernähren sich zu großen Teilen von Ruderfußkrebsen, welche sehr temperatursensibel sind und bei warmen Temperaturen in kühlere, nördlichere Gewässer wandern. Wenn also die Heringe den Ruderfußkrebsen folgen, dann laichen sie weiter nördlich ab und so verändert sich der Startpunkt, von dem die Larven ihre Reise mit der Nordsee-Strömung starten. Sie kommen dann später bei uns im Wattenmeer an oder sind bei ihrer Ankunft schon größer gewachsen und können dann nicht mehr an die kleinen Seeschwalben Küken verfüttert werden.

Auch in diesem Jahr gibt es Hinweise auf geringe Vorkommen von Jungheringen und zwar anhand der Besiedlung der Koloniestandtorte der Brandseeschwalben. Diese verlief wattenmeerweit in der Reihenfolge von Westen nach Osten – also in der Richtung, wie auch die Heringe mit der Strömung im Wattenmeer ankommen. Ganz im Westen, auf Texel, gab es unglaublich hohe Zahlen in normaler zeitlicher Besiedelung. Je weiter nach Osten, desto abnormaler verlief die Besiedelung. Auf der Minsener Oog waren erst keine Brandseeschwalben, dann folgte noch eine völlig verspätete Ankunft und schließlich waren es dort 7000-9000 Paare. Östlich der Minsener Oog gab es kaum eine Besiedlung. 

Aus Großbritannien gibt es Meldungen, dass an der ostenglischen Küste ein außerordentlich gutes Brutjahr für die Brandseeschwalben gewesen ist (pers. Mitteilungen). War dort ausreichende Nahrung vorhanden, während diese in Nordfriesland und im östlichen Wattemeer fehlte? Fehlte es den jungen Heringen aufgrund des warmen Frühjahrs in der Nordsee an Nahrung, sodass nur wenige im Wattenmeer ankamen?

Wir können diese Fragen (noch) nicht beantworten. Es scheint aber nach derzeitigem Kenntnisstand wahrscheinlich zu sein, dass die Nichtbesiedlung Norderoogs durch die Brandseeschwalben auch mit einer schlechten Nahrungsverfügbarkeit und geringen Jungheringvorkommen im östlichen Wattenmeer zusammenhängt.