Es ist jetzt Mitte Juli und auf Norderoog ist schon deutlich weniger los als noch einige Wochen zuvor. Das liegt daran, dass die Brutzeit endet und die Brutvögel die Hallig nach und nach verlassen. Ich blicke zurück auf eine leider sehr ernüchternde Brutsaison. Das Wetter war denkbar schlecht (Bericht im letzten Beitrag über die „Kükenflut“) und hat zu einem sehr geringen Bruterfolg bei vielen Arten, vor allem auch bei den Brandseeschwalben, beigetragen. Auf unserer Live-Cam 1 konnte man gut mitverfolgen, wie die dort zu sehende Kolonie schon ab Juni immer kleiner wurde.
Die Brutzeit begann auf Norderoog im April mit der Ankunft der Lachmöwen und Brandseeschwalben sowie einiger anderer Brutvogelarten. Graugänse hatten zu diesem Zeitpunkt schon erste Gelege und im Westen der Hallig balzten neben Silber- und Heringsmöwen auch mehrere Mantelmöwenpaare. Die Hallig füllte sich mit immer mehr Vögeln.
Die Brandseeschwalben, die prominenteste Brutvogelart Norderoogs, verhielten sich dieses Jahr anders als in den letzten Jahren. Typischerweise bilden sie Kolonien in den am höchsten gelegenen Bereichen im Osten und Westen der Pfahlbauten. In diesem Jahr bildete sich die größte Teilkolonie im Westen, jedoch brütete keine einzige Brandseeschwalbe am Koloniestandort im Osten. Woran das liegt, ist unklar. Statt im Osten bildete sich wieder eine Brandseeschwalbenkolonie im Süden am Halligrand in einem relativ niedrig gelegenen Bereich. Diese Teilkolonie war dann auch von den hohen Wasserständen im Juni stark betroffen. (Eine spannende Analyse zur Höhe und Wahl der Koloniestandorte der Brandseeschwalben und deren Betroffenheit von Landunterereignissen in den Jahren 2020 und 2021 findet ihr hier!) Insgesamt brüteten dieses Jahr rund 1500-2000 Brandseeschwalben Paare auf Norderoog – das sind weniger als in den letzten Jahren.
Rund 2000 Brutpaare der Lachmöwe bildeten eine große Kolonie in den niedrig gelegenen Bereichen in der Mitte der Hallig. Auf der Westhälfte siedelten sich 138 Großmöwenpaare (Silbermöwen und Heringsmöwen) an. Anfang Mai bildete sich eine Küstenseeschwalben Kolonie von 51 Brutpaaren rund um die Vogelwärterhütten. Zudem siedelten sich etwa 60 Brutpaare Flussseeschwalben am Rand der Hallig an. Weitere Brutvögel dieses Jahres sind Austernfischer, Rotschenkel, Mittelsäger, Eiderenten, Stockenten, Schnatterenten, Löffelenten, Schwarzkopfmöwen, Mantelmöwen, Säbelschnäbler sowie einige Singvögel.
Ab dem Schlupf der ersten Seeschwalben-Küken gegen Ende Mai war erfreulich zu sehen, dass die Altvögel mit dem regen Transport von vielen Nahrungsfischen in passender Größe beschäftigt waren – die Nahrungsverfügbarkeit war augenscheinlich gut.
Während der Brutzeit gab es jedoch viele Gelege- und Kükenverluste. Nur wenige Küken sind flügge geworden. Es ist schwer exakte Zahlen anzugeben, da nicht jedes flügge gewordene Küken erfasst werden kann. Zudem erfolgt die Beobachtung nur von den Pfahlbauten aus – die Halligfläche wird in der Brutzeit nur in Ausnahmefällen betreten. Große Bereiche der Hallig sind schwer einzusehen aufgrund hoher Vegetation und Entfernung. Bisher wurden nur 25 flügge Brandseeschwalben und 5 flügge Lachmöwen beobachtet. Auch wenn das aus den oben genannten Gründen Mindestwerte sind, spricht es für einen schlechten Bruterfolg in diesem Jahr. Von den Küstenseeschwalben hat es wahrscheinlich kein einziges Küken geschafft.
Ein Grund für den schlechten Bruterfolg ist das Wetter. Am 9. Juni kam es zu einem Sommerhochwasser (siehe letzter Beitrag). Dabei verloren wahrscheinlich fast alle Lachmöwen und Austernfischer ihre Brut. Auch die gesamte Teilkolonie der Brandseeschwalben und die Flussseeschwalben im niedrig gelegenen Bereich im Süden waren betroffen. Zudem herrschte Anfang Juli nochmals einige Tage lang eine stürmische Wetterlage mit Starkregen, Gewittern und zeitweise orkanartigen Böen mit Windstärken bis 10 Bft. Auch zu diesem Zeitpunkt wurden wieder große Teile der Hallig bei Flut überspült.
Das Problem solcher Wetterlagen ist, dass gerade junge Küken sehr empfindlich für Kälte und Nässe sind. Ihr Daunengefieder ist noch nicht wasserabweisend wie bei erwachsenen Vögeln. Wenn sie nass werden, ist die Gefahr sehr hoch, dass sie auskühlen und sterben – gerade, wenn dazu noch starker Wind herrscht. Die Elterntiere haben dann das Dilemma, dass sie zum einen ihre Küken wärmen und vor dem Wetter schützen müssen, zum anderen müssen sie für Nahrung sorgen. Dazu kommt, dass bei rauer See das Wasser trüb ist und dadurch erschwerte Jagdbedingungen herrschen. Hält so eine Wetterlage mehrere Tage lang an, kann das fatal für die Küken enden.
Als wäre das nicht schon genug, hatten die Brutvögel auch noch mit starker Prädation (Erbeuten von Eiern und Küken) durch Großmöwen und Wanderratten zu kämpfen. Neben den erbeuteten Küken und Eiern, kann das auch für alle anderen Küken gefährlich sein. Denn bei dem Angriff einer Großmöwe, fliegen meist alle Altvögel auf und lassen ihre Küken ungeschützt zurück. Gefährlich ist das insbesondere, wenn solche Angriffe in hoher Frequenz bei stürmischem, nassen Wetter stattfinden.
Zwar ist die Auswertung noch nicht abgeschlossen, aber schon jetzt ist klar: Die diesjährige Brutsaison verlief sehr schlecht und ein entscheidender Grund dafür war das Wetter. Wetterereignisse wie Sturm, Starkregen und Hitzeperioden sind Phänomene, die durch den Klimawandel vermehrt auftreten. Auf Norderoog dokumentieren wir Wetter und Wasserstände während der Brutsaison seit vielen Jahren und stellen fest, dass solche Ereignisse immer häufiger auftreten.