Am Sonntag 09.06.24 spielten sich auf Norderoog dramatische Szenen ab: Ein Sommerhochwasser sorgte auf Norderoog für Wasserstände von bis zu 1 Meter über dem mittleren Hochwasser. Die Situation für den Nachwuchs der Küstenvögel war verheerend. Schon mehrere Tage alte Küken oder noch bebrütete Eier wurden überflutet, weggespült und sind ertrunken oder unterkühlt. Der Zeitpunkt hätte nicht schlechter sein können: Die meisten Brutvögel hatten schon kleine Küken oder sie waren kurz vor dem Schlupf. Ob so spät in der Brutzeit eine Ersatzbrut begonnen und erfolgreich sein wird, ist äußerst fraglich.
Unsere Vogelwartin Nele Waltering bangte auf Norderoog um den Nachwuchs der Brandseeschwalben. Diese waren am Ende nur in Teilen betroffen. Es waren jedoch die Lachmöwen, Flussseeschwalben und Austernfischer in Not, da die Hallig weit über die Hälfte überschwemmt war. Die gerade schlüpfenden Küken der Küstenseeschwalben, die auf unserer CAM 2 zu sehen sind, waren zum Glück nicht betroffen, da ihre Kolonie etwas höher nahe den Pfahlbauten auf Norderoog liegt.
An der Nordseeküste wurden von der Elbmündung bis nach Nordfriesland Vorländereien und Salzmarschen länger als eine Stunde überflutet. In Nordfriesland stand das Wasser auf der Hallig Südfall bis an die Warft heran. Die Halligen Süderoog und Nordstrandischmoor wurden zu sehr großen Teilen überspült. Auch auf Hallig Gröde waren wichtige Brutkolonien von dem Landunter betroffen. In Dithmarschen waren bis in die Elbmündung hinein die großen Kolonien der Küstenvögel wie Säbelschnäbler oder Lachmöwe fast zwei Stunden unter Wasser. Im Hamburgischen Wattenmeer waren vor allem die Vorländer der Insel Neuwerk betroffen.
An jenem Sonntag war Springtide – genau drei Tage nach Neumond läuft dann das Wasser höher auf und sinkt stärker ab. Zwischen einem Tiefdruckgebiet über Skandinavien und der Rückseite eines Hochdruckgebietes über Polen brausten Schauerböen von Westen mit einer Stärke von 6-8 Beaufort, in Spitzen sogar über 9 Bft heran, das sind über 75 Stundenkilometer.
Die Kombination von Meeresspiegelanstieg und Starkwind-Wetterlagen mitten in der Brutzeit gab es schon früher. Die Häufigkeit solcher „Kükenfluten“ nimmt aber gerade im Juni seit einigen Jahren signifikant zu. Die Wetterlagen haben sich durch den Klimawandel stark verändert, Starkwindereignisse aus Westen oder starke Hitzeperioden mit lang anhaltendem Ostwind machen den Tieren des Wattenmeeres – von Muscheln bis zu den Vögeln – sehr zu schaffen.